Welche Auswirkungen hat die Einführung des EU-Rahmenprogramms Level(s) auf die Bauwirtschaft? Bedeutung des natürlichen Werkstoffs Kupfer wächst zunehmend.

Europa soll bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden, mit Hilfe eines Green Deals und einer „Renovierungswelle“. Den größten Investitionsbedarf sieht die EU-Kommission dabei im Gebäudesektor: Zusätzliche Investitionen in Höhe von etwa 120 Milliarden Euro pro Jahr für Wohngebäude und weitere 75 Milliarden Euro für Gebäude der öffentlichen Hand und des Dienstleistungssegments werden vorausschlich notwendig sein, um mehr Energieeffizienz zu erreichen. Um die Bauwirtschaft und die Endverbraucher zu motivieren, umweltbewusster zu handeln, hat die EU nun ein sogenanntes Rahmenprogramm  mit der Bezeichnung Level(s) ins Leben gerufen, das – anders als viele bekannte Zertifizierungssysteme für nachhaltiges Bauen – eine Reihe von Indikatoren und gemeinsamen Metriken zur Messung der Nachhaltigkeitsleistung von Gebäuden entlang ihres Lebenszyklus enthält und auch für die SHK-Branche mittelfristig Konsequenzen im Bereich Green Building mit sich bringen wird. Ein Trend, der sich fortsetzen wird und nachhaltige Materialien und Produkte noch stärker in den Fokus nimmt.

Zusammengenommen sind Gebäude – und dabei insbesondere Warmwasserboiler und Heizungen – in der EU für 40 Prozent des Energieverbrauchs und für 36 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Außerdem geht die Hälfte der gesamten Rohstoffgewinnung sowie ein Drittel des gesamten Wasserverbrauchs auf ihr Konto. Kein Wunder also, dass nicht nur die EU, sondern auch die Bundesregierung in ihrer Gesetzgebung hierauf ein besonderes Augenmerk setzt. Deutschland will alleine im Gebäudesektor die Treibhausgas-Emissionen auf 70 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente im Jahr 2030 gesetzlich festlegen – das wäre eine Reduzierung um 67 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 1990 (210 Millionen Tonnen CO2). Nach Angaben der Bundesregierung lagen die direkten CO2-Emissionen im deutschen Gebäudesektor im Jahr 2019 bei 122 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalenten.

Level(s) als Maßstab für nachhaltiges Bauen

Mit der Auflage des neuen Programms Level(s) will die EU nun einen allgemeingültigen Standard schaffen, der die Einhaltung der geplanten Klimaziele aktiv unterstützt und als Benchmark dient. Anders als bekannte Zertifizierungssysteme für nachhaltiges Bauen wie DGNB oder BREEAM oder zahlreiche Ökolabel bietet Level(s) jedoch nur einen Rahmen für die Nachhaltigkeitsleistungen von Gebäuden. Aufbauend auf den Zielen des EU Green Deal und des EU-Aktionsplans für Kreislaufwirtschaft unterstützt Level(s) die Bemühungen des Bausektors, die Energie- und Materialeffizienz zu verbessern und damit die Kohlenstoff-Emissionen zu senken. Sowohl Level(s) als auch Zertifizierungs-Systeme gehen dabei über die eigentliche Neubauphase von Gebäuden hinaus und richten ein wichtiges Augenmerk auf die hochauflösende Kontrolle und Steuerung der Gebäude-Nachhaltigkeit während der Nutzungsphase. Level(s) soll dabei eine Grundlage für die europäische Politik des nachhaltigen Bauens bilden.

Ziel von Level(s) ist es, das Life-Cycle-Bewertungen einbezogen werden, um die Daten zu erstellen, die der Bausektor benötigt, um in den globalen Zielen (Agenda 2030 und Pariser Abkommen) und europäischen Zielen (Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft und THG-Strategie 2050) Fortschritte zu erzielen.

Level(s) konzentriert sich dabei insbesondere auf sechs Schlüsselbereiche: Treibhausgasemissionen, Ressourceneffizienz, Wassernutzung, Gesundheit und Komfort, Belastbarkeit und Anpassung sowie Kosten und Wert und zielt besonders auf Ressourceneffizienz im Bausektor ab, um die Kreislaufwirtschaft zu verbessern. Dabei verknüpft das System die Umweltleistung jedes Gebäudes mit den Ressourcenprioritäten der EU. Neben der Umweltleistung, die im Mittelpunkt steht, können auch andere wichtige Aspekte der Leistung von Gebäuden anhand von Indikatoren für Gesundheit und Komfort, Lebenszykluskosten und potenzielle zukünftige Leistungsrisiken bewertet werden. Darüber hinaus wird ihre Berechnung nach Möglichkeit durch EN- und ISO-Referenzstandards unterstützt. Und schon beim Bau des Gebäudes soll der ökologische Fußabdruck berücksichtigt werden: Bei der Ökobilanz von Neubauten spielt sich neben erneuerbaren Energien wie Photovoltaikanlagen und einer guten Dämmung auch der Baustoff in den Fokus.

In diesem Zusammenhang werden neben technischen Kenndaten auch zunehmend Informationen zu ökologischen bzw. „grünen“ Eigenschaften von Materialien und Produkten nachgefragt und sollten daher entsprechend in der Planung und im Betrieb berücksichtigt werden. Schon heute versuchen einige große Projektentwickler, den CO2-Fußabdruck der Immobilie bereits beim Bau deutlich zu reduzieren Im Falle von Kupferwerkstoffen sowie hieraus gefertigten Produkten punkten hier unter anderem die sehr lange Nutzungsphase sowie die hohe Material-Recycling-Kapazität. Die Kupferindustrie hat im Übrigen mit der Einführung der sogenannten „Copper Mark“ eine Vorreiterrolle beim Thema ökologischer Fußabdruck übernommen: das neue Gütesiegel steht für nachhaltige Kupferförderung und Produktion. Unter anderem ist der Rohrhersteller Wieland bereits ein Partner dieses Programms und bekennt sich damit zu den Ideen und Zielen der „Copper Mark“. Das Gütesiegel könnte in den nächsten Jahren durchaus auch für den Nachweis eines „grünen“ Gebäudes wichtig werden. Grundsätzlich bietet die Copper Mark einen verlässlichen Nachweis, um die verantwortungsvollen Produktionspraktiken der Kupferindustrie und den Beitrag der Industrie zu den SDGs der Vereinten Nationen zu demonstrieren.

Green-Building-Standards bestimmen die Material- und Produktauswahl

Es ist davon auszugehen, dass sich die üblichen Zertifizierungssysteme für nachhaltiges Bauen mit der Zeit den Vorgaben von Level(s) anpassen werden. Bei der DGNB findet man nach der letzten Überarbeitung ihres Kriterienkatalogs bereits eine entsprechende Anlehnung, in der Life-Cycle-Werte viel stärker bewertet werden als zuvor. Damit kommen sowohl bei der Planung von Gebäuden als auch bei der Renovierung Aspekte hinzu, die für den Einsatz spezifischer Produkte und/oder Materialien ausschlaggebend sind – wie etwa die bereits erwähnte Recyclingfähigkeit, die auch im Falle eines Rückbaus eine entscheidende Rolle spielt. Denkt man hier an den Bereich Hausinstallation, so sind zum Beispiel Kupferrohre ohne Qualitätsverlust problemlos recycelbar und punkten auch aufgrund ihrer Langlebigkeit als nachhaltiger Werkstoff.  Und auch Themen wie die der Integration digitaler Daten (BIM, Gebäudepässe, Gebäudesimulationen) und EPDs bekommen einen erhöhten Stellenwert.

Außerdem zeigt sich, dass sich eine immer stärkere Verschiebung von Anwendungen mit einem CO2-intensiven Energieverbrauch wie (Trinkwasser-)Erwärmung und (Gas-)Heizung zu klimaneutralen Anwendungen wie Speichertechnologien oder auch erneuerbaren Energien ergeben wird. Und dies in Kombination mit dem fortschreitenden Klimawandel. So hat eine Studie der britischen Building Services Research and Information Association (BSRIA) ergeben, dass die Nachfrage nach klimabedingten Nachrüstungen im gewerblichen Bereich wie Klimaanlagen, Heizungs- und Wärmepumpen sowie Systemen für erneuerbare Energien in Europa bis 2035 um fast 40 Prozent steigen wird. Eine wichtige Komponente sind hier übrigens Kupferwerkstoffe, die bis zum Jahre 2035 allein bei Heizungs- und Wärmepumpen 35.000 t Material ausmachen werden. Die höchste jährliche Wachstumsrate wird dabei jedoch für die erneuerbaren Energien mit fast 20 Prozent erwartet.

In 2019 gab es bei den installierten Heizungssystemen im Neubau laut Bundesverband Wärmepumpe erneut ein deutliches Plus bei Wärmepumpen. Mit einem Anteil von rund 46 Prozent vergrößerte das klimaschonende Heizungssystem nach den aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes seinen Vorsprung vor dem fossilen Energieträger Gas bei genehmigten Wohngebäuden. Wie schon im Vorjahr ist die Wärmepumpe mit einem Anteil von 45,8 Prozent das beliebteste Heizsystem im Neubau und lässt Gasheizungen mit einem Anteil von rund 38,7 Prozent hinter sich.

Klimaneutral Sanieren

Doch nicht nur der Neubau, sondern auch Bestandsbauten stehen unter Beobachtung, denn etwa 70 Prozent der insgesamt 18 Millionen Wohngebäude in Deutschland wurden vor 1979 errichtet. Zentrales Ziel der Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele ist es, die Sanierungsrate von Gebäuden „mindestens zu verdoppeln oder gar zu verdreifachen“ – ein enormer Markt für die SHK-Branche, der doppelten Bonus bringen wird, wenn man dabei auch den Nachhaltigkeitsgedanken wie er auch bei Level(s) formuliert ist, berücksichtigt. Denn das Thema „Green Building“ wird in Zukunft noch stärker verfolgt und muss auch von der SHK-Branche optimal besetzt werden. Ausgefeilte Techniken wie bei Heizsystemen und auch ressourcenschonende Anwendungen bieten hier eine Vielzahl von Möglichkeiten – kombiniert mit der richtigen Material- und Produktauswahl im Einklang mit den Klimazielen der EU kann die Branche dabei sogar ein Vorreiter sein.

Newsletter anmelden

×

    Journalisten-Newsletter anmelden

    ×