Wärmebehandeln

Viele Werkstoffeigenschaften werden durch Zustände erzielt, die auf dem Weg zum Gleichgewicht entstehen, ohne diesen endgültigen Zustand zu entsprechen. Das geschieht durch kontrollierte Erwärmung und Abkühlung, also durch die Wärmebehandlung. Bei der Wärmebehandlung erfolgen ausschließlich Festkörperreaktionen, die in der Regel thermisch aktiviert (Diffusion) sind. Ausnahme bildet die martensitische Umwandlung (diffusionslose Umwandlung durch Kristallscherung.

Die Wärmebehandlung umfasst folgende Abläufe:

  • Aufheizen
  • Halten auf einer Temperatur (Homogenisieren)
  • Abkühlung

Der zu behandelnde Werkstoff durchläuft verschiedene Temperaturen in unterschiedlichen Zeiten (Temperatur-Zeit-Verlauf) und wird anschließend in Abhängigkeit von Werkstoff und Verfahren in unterschiedlichen Medien (Wasser, Öl, Salz, Schutzgas, Luft) unterschiedlich schnell abgekühlt. Die Reichweite erstreckt sich hierbei von der Ofenabkühlung bis hin zum schroffen Abschrecken, um bestimmte technologische Eigenschaften (Chemische Konzentration, Festigkeit, Härte, Zähigkeit, Gefüge, etc.) einzustellen.

Wärmebehandlung
Homogenisieren
Weichglühen (Rekristallisieren)
Spannungsarmglühen

Wärmebehandlung

Als Wärmebehandlungsverfahren kommen bei Kupfer und Kupferlegierungen das Homogenisieren, das Weichglühen (Rekristallisierungsglühen), das Spannungsarm-Glühen und das Aushärten, bestehend aus Lösungsglühen, Abschrecken mit anschließendem Anlassen infrage. Wegen der Vielfalt der Werkstoffe auf Kupferbasis und der Abhängigkeit der Temperaturen und Zeiten einzelner Wärmebehandlungen von der Zusammensetzung des Werkstoffes, von seinem Gefüge und seinem Festigkeitszustand infolge Kaltverformung usw. kann hier nur global auf die einzelnen Wärmebehandlungen eingegangen werden. Einige Anhaltswerte für die Wärmebehandlungstemperaturen finden Sie hier in den Tabellen oder in Handbüchern, Datenblätter und Veröffentlichungen. Die Wärmebehandlungen erfolgen vorzugsweise in elektrisch beheizten Öfen mit einer auf ± 2,5 °C genauen Temperaturkontrolle, aber auch in gasbeheizten Öfen. Die Glühungen erfolgen je nach Werkstoff und Anforderung unter normaler Atmosphäre, unter Schutzgas oder im Vakuum, wobei das Schutzgas abhängig von den Anforderungen neutral, oxidierend oder reduzierend eingestellt wird. Die Wärmebehandlung kann entweder diskontinuierlich für Chargen in Topf-, Hauben- bzw. Kammeröfen oder kontinuierlich in – vorwiegend horizontal angeordneten – Durchlauf-öfen erfolgen. Bei Federbändern, an die höchste Anforderungen hinsichtlich Gleichmäßigkeit des Gefüges, Genauigkeit (Toleranzen) und Planheit des Bandes gestellt werden, erfolgt die Wärmebehandlung im Band-Schwebeofen (Typ: Junkers) fast ausschließlich unter Schutzgas.

Homogenisieren

Homogenisierungsglühungen erfolgen ausschließlich vor Auslieferung an den Weiter-verarbeiter bei den Halbzeugwerken bzw. Gießereien an Gussstücken oder warm umgeformten Halbzeugformen. Die Wärmebehandlung erfolgt, um Seigerungen oder örtliche Unterschiede in der Zusammensetzung auszugleichen. Betroffen sind im wesentlichen Legierungen mit den Legierungselementen Zinn (Zinnbronze mit breitem Erstarrungsbereich), und Kupfer-Nickel-Legierungen. Homogenisierungsglühungen erfolgen bei relativ hohen Temperaturen mit langen Glühzeiten und sind daher recht kostspielig.

Besonders die Knetlegierung CuSn8 neigt zu starken Segregationen und wird vorzugsweise vor dem Kaltwalzen bei 760 °C homogenisiert um die spröde hochzinnhaltige Phase aufzulösen. Bei anderen Kupferwerkstoffen die warm und kalt gewalzt werden, bzw. zwischen einzelnen Kaltumformungen zwischengeglüht (weichgeglüht) werden, ist eine Homogenisierungsglühung nicht erforderlich.

Bei aushärtbaren Kupferlegierungen wird das Lösungsglühen oberhalb der Löslichkeitsgrenze des Legierungselementes ebenfalls als Homogenisieren bezeichnet.

Weichglühen (Rekristallisieren)

Nimmt durch Kaltumformung die Festigkeit eines Werkstoffes, bei gleichzeitig abnehmender Bruchdehnung, so hohe Werte an, dass er nicht weiter kalt verformt werden kann, so muss weichgeglüht werden. Bei einer solchen Glühung wird im Allgemeinen der weiche, durch die Bildung neuer Kristalle gekennzeichnete Zustand (Rekristallisation) angestrebt. Die Rekristallisation ist abhängig von der Korngröße des Gefüges, vom Umformgrad der vorausgegangenen Kaltumformung und der Rekristallisationstemperatur. Bei zu geringer Kaltumformung besteht jedoch beim Glühen die Gefahr der Grobkornbildung. Die Zusam-menhänge lassen sich in einem dreidimensionalen Schaubild darstellen und erklären, weshalb für einen bestimmten Werkstoff keine Rekristallisationstemperatur, sondern nur ein Temperaturbereich angegeben werden kann. Die anzuwendenden Temperaturen sind abhängig von der Glühzeit. Normalerweise wird bei hohen Temperaturen eine kurze Glühzeit und bei niedrigen Temperaturen eine lange Glühzeit anzuwenden sein. Liegt ein Rekristallisationsschaubild vor, kann jedoch bei vorgegebenem Umformgrad und bekannter Korngröße für eine bestimmte Glühdauer die Rekristallisationstemperatur angegeben werden. Der Rekristallisation voraus geht eine Werkstofferholung. Darunter wird eine Entspannung des Materials ohne Kornneubildung verstanden. Die Kornvergrößerung ist der Rekristallisation nachgeschaltet. Sie ist ein Wachstum energisch günstiger Körner auf Kosten von ungünstigeren.

Spannungsarmglühen

Durch Spannungsarmglühen werden die durch Kaltumformung im Halbzeug bzw. Werkstück vorhandenen Spannungen gemindert, ohne dass ein zu großer Festigkeitsabfall eintritt. Die größte Bedeutung hat das Spannungsarmglühen für Kupferwerkstoffe, die zur Spannungsrisskorrosion neigen, z.B. für die Kupfer-Zink-Legierungen. Da neben einem Korrosionsmedium für das Auftreten von Spannungsrisskorrosion das Vorhandensein innerer oder äußerer Zugspannungen erforderlich ist, kann durch eine Absenkung der herstellungsbedingten Zugspannungen das Korrosionsrisiko erheblich gemildert werden. Außerdem wird durch thermisches Entspannen die Gefahr, dass durch Weiterbearbeitung innerer Zugspannungen gelöst werden, die zum Verziehen des Werkstoffes führen können, gemildert. Darüber hinaus addieren sich innere Spannungen mit der äußeren Beanspruchung, so dass unter Umständen die Belastbarkeit des Halbzeugteils oder des Werkstückes beeinträchtigt ist. Zum Spannungsarmglühen wird die Temperatur und Glühzeit so gewählt, dass die Rekristallisationsschwelle nicht erreicht wird. Es findet eine Werkstofferholung statt, Gefügeunregelmäßigkeiten heilen aus und Spannungen werden abgebaut, ohne dass die mechanischen Festigkeitseigenschaften wesentlich vermindert werden. Das thermische Entspannen soll nach Beendigung der Kaltbearbeitung erfolgen, durch die innere Spannungen in das Werkstück eingebracht werden können. So können z.B. durch eine spanende Bearbeitung innere Spannungen im fertig bearbeiteten Werkstück zurückbleiben.

Die genormten Kupfer-Gusswerkstoffe werden mit Ausnahme der Kupfer-Aluminium-Gusslegierungen bei 250 °C entspannt. Für die Glühzeit gilt 1 h je 25 mm Wanddicke. Die Entspannungstemperatur der Kupfer-Aluminium-Gusslegierungen liegt höher bei 315 °C.

Glühen von Kupfer und Zeiten der Wärmebehandlungen

Zeiten für Wärmebehandlungen können schlecht allgemein angegeben werden. Grundsätzlich besteht ein Zusammenhang zwischen Zeit und Temperatur, d.h., ein gleiches Ergebnis lässt sich mit kurzer Zeit und hoher Temperatur (wird in Durchlauföfen genutzt) wie auch mit langer Zeit und niedriger Temperatur erzielen. Die Zeiten hängen zudem ab:

  • Vom Ofen (Temperaturverteilung, Temperaturgleichmäßigkeit);
  • Von der Anzahl der Teile im Ofen und der Chargierung;
  • Von der Größe bzw. der Masse der einzelnen Teile.

Als Faustregel für die Standardprozesse (diskontinuierlich im Topf-, Hauben- oder Kammerofen) kann gelten:

  • Kleine Teile 30-60 Min.
  • Große Teile 1-3 h.

Alle Zeiten gelten ab dem Zeitpunkt, zu dem die gesamte Charge durchgewärmt ist (!). Das Glühen sollte unter Schutzgas erfolgen (bei Kupferwerkstoffen reicht Stickstoff), um ein Verzundern zu vermeiden. Die Abkühlung kann beliebig erfolgen, bei Kupferwerkstoffen gibt es keine Härtungseffekte wie bei Stahl, auch nicht bei schnellem Abkühlen. Schnelles Abkühlen kann eventuell zum Verzug führen.

Anhaltswerte für die Wärmebehandlung von nicht aushärtbaren Kupferwerkstoffen

(alle Angaben in °C)

WerkstoffSpannungsarmglühenWeichglühenHomogenisieren
Kupfer und silberlegiertes Kupfer100 - 150400 - 500 (entfällt)
Messing (CuZn)250 - 300450 - 600 (entfällt)
Bronze (CuSn), Knetwerkstoffe 200 - 300 475 - 675ca. 700
Bronze, Gusswerkstoffe200 - 450(nicht genutzt)ca. 650
Neusilber (CuNiZn)250 - 400580 - 650 (entfällt)
CuAl-Legierungen (Al-Bronze) *250 - 300 ca. 600 (entfällt)
CuNi-Legierungen280 - 500620 - 900 (entfällt)

* Bei heterogenen Legierungen zusätzlich gezielte Einstellung von Festigkeiten durch Wärmebehandlungen zwischen 450-950 °C, s. Literatur

Empfohlene Zeiten und Temperaturen für das Weichglühen einiger ausgewählter Werkstoffe auf Kupferbasis

KurzzeichenTemperatur [°C]Zeit [h]
Cu-ETP / Cu-FRHC300 - 650 1)0,5 - 3
Cu-OF425 - 650 0,5 - 3
Cu-PHC / Cu-HCP350 - 6500,5 - 3
Cu-DHP350 - 6500,5 - 3
CuZn15425 - 6500,5 - 3
CuZn30450 - 6750,5 - 3
CuZn33425 - 7000,5 - 3
CuZn37450 - 600 2)0,5 - 3
CuZn36Pb3425 - 6000,5 - 3
CuZn39Pb2425 - 6000,5 - 3
CuZn39Pb3425 - 6500,5 - 3
CuZn40Pb2425 - 6500,5 - 3
CuZn31Si1500 - 6000,5 - 3
CuZn38Mn1Al500 - 6500,5 - 3
CuZn37Mn3Al2PbSi 500 - 6500,5 - 3
CuSn4500 - 700 3)0,5 - 3
CuSn6500 - 700 3)0,5 - 3
CuSn8500 - 700 3)0,5 - 3
(CuSn6Zn6)500 - 700 3)0,5 - 3
CuNi18Zn20600 - 750 4)0,5 - 3
CuNi18Zn27600 - 750 4)0,5 - 3
CuNi9Sn2600 - 7000,5 - 3
CuNi10Fe1Mn625 - 7500,5 - 3
(CuNi44Mn1)650 - 8500,5 - 3
CuAg0,10400 - 6500,5 - 3
CuAg0,10P400 - 6500,5 - 3
CuFe2P650 - 7000,5 - 3
CuSP425 - 6500,5 - 3
CuTeP425 - 6500,5 - 3
CuZn0,5425 - 6000,5 - 3
CuBe2720 -7600,5 - 3
CuBe2Pb 720 -7600,5 - 3
CuCo2Be920 -9600,5 - 3
CuNi2Si725 - 7600,5 - 3
CuCr1Zr600 - 8000,5 - 3
CuZr850 - 9650,5 - 3

* 1) Beim Glühen in reduzierender Atmosphäre ist die Temperatur unterhalb 450 °C zu halten, um Wasserstoffkrankheit zu vermeiden.
2) Es ist wichtig, die angegebene Maximaltemperatur nicht zu überschreiten, um die Kaltformbarkeit des Werkstoffes nicht zu beeinträchtigen.
3) Die Legierungen sind beim Glühen rissanfällig und sollten vorher thermisch entspannt werden.
4) Die Legierungen sind in oxidierender Atmosphäre zu glühen. Sie sind rissanfällig und sollten vorher thermisch entspannt werden.
( ) Legierungen nicht mehr in EN enthalten

Empfohlene Glühzeiten und Temperaturen für das Spannungsarmglühen ausgewählter Knetwerkstoffe auf Kupferbasis

KurzzeichenTemperatur [°C]Zeit [h]
Cu-ETP / Cu-FRHC150 - 200 1)1
Cu-OF150 - 2001
Cu-PHC / Cu-HCP150 - 2001
Cu-DHP150 - 2001
CuZn15200 - 3001
CuZn30200 - 3001
CuZn33200 - 3001
CuZn37200 - 3001
CuZn36Pb3200 - 3001
CuZn39Pb2200 - 3001
CuZn39Pb3200 - 3001
CuZn40Pb2200 - 3001
CuZn31Si1250 - 3501
CuZn38Mn1Al300 - 4301
CuZn37Mn3Al2PbSi350 - 4501
CuSn4 200 - 3001
CuSn6200 - 3001
CuSn8200 - 3001
(CuSn6Zn6)200 - 3001
CuNi18Zn20300 - 4001
CuNi18Zn27300 - 4001
CuNi9Sn2250 - 4001
CuNi10Fe1Mn280 -4501
(CuNi44Mn1)300 - 4001
CuAg0,10250 - 300 1)1
CuAg0,10P 250 - 3001
CuFe2P200 - 3001
CuSP150 - 2001
CuTeP150 - 2001
CuZn0,5200 - 3001
CuBe2250 - 3001
CuBe2Pb250 - 3001
CuCo2Be350 - 4201
CuNi2Si350 - 4501
CuCr1Zr300 - 3501
CuZr350 - 4001

* 1) Beim Glühen in reduzierender Atmosphäre ist die Temperatur unterhalb 450 °C zu halten, um Wasserstoffkrankheit zu vermeiden.
( ) Legierungen nicht mehr in EN enthalten

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